„Mutter Oberin! Mutter Oberin!“ Rief Schwester Anat ungeduldig als sie die Frau in der weißen Robe sah. Sie hat ihre Fürstin seit Monate schon nicht gesehen, weil die mit den Ministern aus Galaxie Pandora über die Friedensverhandlungen gesprochen hatte. Es war eine delikate Situation, denn der Krieg war so nah, dass sie es in der Luft spüren konnte.
„Warte ein bisschen bis meinen Atem wiederfinde!“ Sagte die Mutter Oberin völlig erschlagen. Sie wirkte besorgt. Ihr Gesicht, weiß wie der reinste Schnee, hatte die Konsistenz von einem Papyrus. Es war ein Zeichen davon, dass sie schon Vieles erlebt hatte.
„Worüber habt ihr diskutiert?“ Fragte Anat neugierig.
„Worüber? Worüber? Über die Finsternis natürlich!“
Finsternis. Die Finsternis. Das Wort durchblitzte ihr Gedächtnis wie eine Schwarze Krähe. Ja. Die Finsternis war das Schlimmste, was die Menschheit seit dem Weltuntergang erlebt hatte. Sie erinnerte sich an die Zeit, wenn sie nur eine Novizin des Intergalaktischen Konvents war. Auf einer von vielen Unterichstunden tauchte das Wort Finsternis auf so wie jetzt, doch es war näher und schrecklicher als je zuvor.
Schwester Gaya hat ihnen erzählt über die Geschichten der Erde, über den Weltkrieg und den Weltuntergang, der nach dem Weltkrieg folgte. Plötzlich konnte Anat all die Leichen sehen…all die Raumschiffe und große Städte, die zerstört waren. Und das alles für ein Stück Ewigkeit…für die Immortalität.
Ifigenia hatte schon lange Kopfschmerzen. Ein Schauer durchlief sie, und sie begann zu schwitzen. Ihre Kombinese war ganz nass. Anat saß neben ihr. Sie konnte Ifigenias schweren Atem hören.
„Ifigenia, was ist mit dir?“ Fragte Schwester Gaya. Sie hat Ifigenia schon lange beobachtet. Etwas war schlecht, doch sie wusste nicht, was es war.
Ifigenia antwortete nicht, sondern hob sie ihren Blick zur Schwester Gaya. Die Adern auf ihrem Hals waren ganz schwarz, und sie reichten bis zu den Schläfen.
„Ifigenia!“ Kreischte Schwester Gaya. „Schnell ruft die Pathomediken! Ruft die Pathomediken!“
Es dauerte ein paar Minuten bis die Pathomediken endlich gekommen sind. Sie haben verschiedene Geräte und Arzneien mitgebracht. Sie spritzten Ifigenia eine Epinephrininjektion. Dann schalten sie den Neurogenerator an. Der Kardiosensor maß ihren Puls und Blutdruck, während der Seelensensor über die Krankheit wachte.
„Sie ist fünfundsiebzig Prozent finster.“ Sagte einer von den Pathomediken.
„Wie ist das möglich?“ Fragte Schwester Gaya verblüfft. „Vor einer Stunde war sie noch gesund.“
„Die Finsternis ist eine unberechenbare Krankheit.“ Antwortete er.
Und so ging es weiter. Mit jeder Minute wurde der Wert von Finsternis höher und höher. Es war keine Hoffnung in Sicht.
„ Fünfundachtzig Prozent finster.“ Sagte der Hauptpathpmedikus.“Gebt ihr den Lichtsanalgetikum, sonst wird es geschehen.“
„Geschehen? Was wird geschehen?“
„Die Entropie der Seele.“
Also wird sie sterben. Dachte sich Anat. Sie hat noch nie eine Leiche gesehen. Sie musste aber zustimmen das Ifigenia nicht wie tot aussah. Sie hat nur geschlafen. Doch von diesem Schlaf wird sie nicht mehr aufwachen.
„Sauerstoff, schnell! Holt den Sauerstoffapparat!“
Das ist es dann. Die Finsternis. Die Verkörperung von dem ewigen Tod.
„ Neunzig Komma neunundneunzig Prozent finster.“ Sagte ein Pathomedikus wieder.
Es hat keinen Sinn, denn alle können den Tod voraussagen.
„Die Lichtanalgetikuminjektion in die Hauptschlagader! Sauerstoff! Wo ist der Sauerstoffapparat!“
Ifigenias Herzschläge wurden immer lauter und lauter. All die Lärme von Geräten überwältigten. Ifigenia wird sterben. Ifigenia wird sterben. Ifigenia starb.
Und so starben auch die andere von Anats Umgebung. Sie starben wegen der Finsternis.
„Es ist eine Strafe, die der Herr für uns bereitet hat, weil wir, die unwürdige Menschen, den Weg zur Immortalität gefunden haben und dazu das Gleichgewicht des ganzen Universums zerstörten. Jetzt müssen wir die Nebenwirkungen erleiden.“ Sagte ihre Mutter, die Fürstin von Iridian oft. Aber auch sie ist in die Finsternis gefallen.
„Mutter Oberin!“ Fragte sie wieder.“Wie sieht die Situation im Sektor B aus?“
„Es wird behauptet, dass sie Finsternis fast so schnell reist wie das Licht.“ Erwiderte die Mutter Oberin erbittert.
„Und Quasar?“
„Na ja…Quasar.“ Sagte die Mutter Oberin ein bisschen zögerlich.“Er ist nach Hause gekommen.“
„Ist er hier?“ Fragte Anat ganz außer sich von Freude.
„Ja.“ Doch die Miene auf dem Gesicht der Oberin war nicht fröhlich.
„Wo ist er?“
Die Mutter Oberin schwieg. Sie weigerte sich, Anat anzuschauen.
„Wo ist er?!“ Fragte sie wieder auch wenn sie die Antwort schon wusste.
„Bei den Pathomeidiken.“
Es war ein Albtraum. Ihr Bruder…ihr Bruder wird sterben. So wie Ifigenia, so wie die Fürstin Iokasta, ihre Mutter, ihr Vater, und alle andere.
„Wieso wusste ich es nicht?!“ Fragte sie zornig. Ihre Augen waren nass von Tränen.
„Ich habe allen Pathomediken verboten, über Quasar´s Krankheit zu sprechen.“
„Aber ich bin selbst ein Pathomedikus. Und noch seine Schwester dazu!“
„Schwester oder nicht, das interessiert mich nicht. Was hast du denn gedacht?! Er ist der nächste in der Thronfolge. Was werden die Leute sagen, wenn sie herausfinden, dass der Prinz und der Erbe von Iridian auf Todesbett liegt? Sektor C wird es für einen Kriegsgrund halten.“
Kriegsgrund? Wieder ein Krieg? Haben die Kriege nicht die ganze Gesellschaft zugrundgerichtet?
„Doch sie haben mit ihnen gesprochen! Sie sollten den Krieg verhindern. Sie sind die Regentin…..“
Ein spöttisches Lächeln tauchte auf dem Gesicht der alten Dame auf.
„Ja. Ich bin deine Fürstin. Deshalb bist du nicht in der Lage, dich in meine Angelegenheiten zu mischen. Hast du verstanden?“
Oh, wie sie diese Person nur hasste. Als ihre Mutter, die regelrechte Fürstin, starb, hat die Mutter Oberin den Thron für sich eingenommen. Anat konnte nichts gegen die Macht der Oberin. Ihr Bruder sollte der Fürst sein, doch er liegt im Sterben. Jetzt wird die Oberin allmächtig.
„Meine Fürstin möge mir verzeihen.“ Sagte Anat statt all den hassvollen Worten. „Ich bin verrückt, weil mein allerliebster Bruder im Sterben liegt.“
„Gut. Dann kannst du ihm wiedersehen. Doch ich warne dich. Gib mir nicht den Grund, sich zu denken, dass du etwas vorhast. Es wird dir sowieso nicht gelingen.“ Sagte sie und ging davon.
Die Oberin hat mit Anat gespielt wie eine Katze mit einer Maus. Anat hatte Angst, den die Mutter Oberin war keine Person, mit deren sie sich messen konnte. Darum hat sie sich auch für ihre Frechheit entschuldigt. Natürlich wollte sie ihren Bruder retten, doch sie hatte keine Chance. Wie sollte sie es nur tun. „Es wird dir sowieso nicht gelingen.“ Sagte die Furie.
Ihr Bruder war mit den verschiedensten Geräten verbunden, die ihm mit den Atmen und anderen vitalen Funktionen halfen. Sie ist in das Krankenhaus spaziert, wie eine Seelenlose Kreatur. In ihrem Kummer war es schwer, klare Gedanken zu fassen. Die Fürstliche Familie ist Tod, denn sie wird nie den Thron erreichen. Sie hat nicht das Recht, den Thron zu erreichen.
„Armer Bursche.“ Sagte der Hauptpathomedikus plötzlich. „Was hat sie ihm nur getan?“
„Wer hat ihm was getan?“ Erschaute Anat verblüfft.
Der Hauptpathomedikus beobachtete sie eine Weile. Dann sprach er.
„Es ist ein Geheimnis, Vögelchen. Ich will es dir sagen, aber ich kann nicht…ich darf nicht.“
„Sag es!!!“
Was für ein Geheimnis ist das? Wer ist sie? Was ist geschehen?
„Psst! Die Kameras sind überall.“
„Sag es!!!“
„Er musste sterben. Sie wollte, dass er stirbt.“
„Wer? Die Mutter Oberin?“ Fragte Anat schockiert.
„Ja. Die Regentin Klytaimnestra.“ Erwiderte er leise.
„Her Orion. Aber es ist nicht möglich! Mein Bruder ist mit der Finsternis infiziert!“
„Die Finsternis existiert nicht. Es ist künstlich. Die Wissenschaftler der Regentin haben es geschaffen, um die Population zu reduzieren und den Krieg zu beginnen. Ich habe selbst die Akten gelesen.“ Sagte er.
Es kann nicht Wahr sein. Sie wollte es nicht sehen. Sie wollte es nicht akzeptieren. So viele Leute sind gestorben. Ihr Vater, ihre Mutter, und tausende Leute aus dem ganzen Universum.
Ihr Bruder war schon mit einen Fuß in der Finsternis. Auf Wiedersehen mein Freund. Mein Bruder. In der Finsternis. Dort werden wir uns wiedersehen. Dann sprach sie wieder zum Hauptpathomedikus.
„Werden Sie mir helfen Orion?“ fragte sie mit tonloser Stimme.
„Ich kann leider nicht, denn auch ich werde bald sterben.“ Sagte er und zeigte ihr sein Handgelenk. Die kohlenschwarzen Adern strahlten durch seine kreideblase Haut.
Dann ist sie ganz allein. Allein gegen die Mutter Oberin. Allein gegen die Welt.
„Gott gib mir die Kraft zu kämpfen.“ Sagte sie und ging davon, um ihr Schicksal zu erfüllen.
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